Wie wird Glas eigentlich professionell zugeschnitten? Von den Grundlagen des Schneidens über die Unterschiede zwischen Einfach- und Verbundglas bis hin zu modernen Automatisierungslösungen – dieser Beitrag liefert Ihnen einen kompakten Überblick über die wichtigsten Methoden, Technologien und Tipps rund um den Glaszuschnitt.
Beim Zuschnitt von Flachglas bedeutet „Schneiden“ in der Glasbranche etwas völlig anderes als beispielsweise in der Holzindustrie. Es gibt Unterschiede zwischen Einfach- und Verbundglas, und selbst komplexe Formen lassen sich realisieren. Fachbegriffe wie X-, Y-, Z- und W-Schnitt, die Rolle der Schneidebrücke sowie der hohe Automatisierungsgrad in diesem zentralen Prozess der Glasverarbeitung werden im Folgenden erläutert.
Wer noch nie mit Glas gearbeitet hat, denkt beim Wort „Schneiden“ vielleicht an eine Säge, einen Laser, ein Messer oder eine Schere. In der Flachglasindustrie funktioniert das Schneiden jedoch anders: Mit einem kleinen Metallrädchen wird die Glasoberfläche angeritzt, wodurch eine feine Ritzfissur entsteht. Abhängig von der Glasdicke variiert der Winkel dieses Rädchens. Anschließend wird mechanisch Schneiddruck auf die Glasoberfläche aufgebracht, wodurch im Glasinneren die Spannungskonzentration steigt. Das Zusammenspiel von Ritzfissur und Schneiddruck ermöglicht es, das Glas gezielt zu brechen.
Es wird zwischen Einfachglas („Floatglas“) und Verbundglas (laminiertes Glas) unterschieden. Einfachglas wird in unterschiedlich großen Lagerplatten geliefert und mit dem beschriebenen Schneidverfahren auf die gewünschte Größe zugeschnitten.
Beim Verbundglas, das aus zwei oder mehr Glasscheiben besteht, die mit einer zähen, transparenten Folie verbunden sind, ist der Zuschnitt komplexer. Bricht eine Scheibe, wird sie von der Folie zusammengehalten – ein wichtiger Sicherheitsaspekt, etwa im Fahrzeugbau. Beim Schneiden von Verbundglas werden die obere und untere Glasfläche gleichzeitig angeritzt. Der Spalt zwischen den Gläsern wird mit Greifern geöffnet, die Klinge kommt im nächsten Schritt zum Einsatz. Das Wenden großer und schwerer Platten ist dabei nicht praktikabel.
Das Koordinatensystem für den Glaszuschnitt ist in der Branche etabliert und wird zur Beschreibung verschiedener Schnittebenen verwendet:
Beim Zuschnitt werden alle Kundenaufträge berücksichtigt, um die Anzahl der benötigten Lagerplatten zu minimieren. Die Formen werden so angeordnet, dass möglichst wenig Verschnitt entsteht – vergleichbar mit dem Prinzip von Tetris.
Mit dieser Technologie sind auch Sonderformen wie Kreise, Trapeze oder gebogene Kanten möglich, solange es sich um positive Radien handelt. Bei negativen Radien gibt es technische Grenzen, da das kontrollierte Brechen des Glases schwieriger wird.
Die Schneidebrücke ist ein zentrales Element im Schneidevorgang und kommt sowohl bei Einfach- als auch bei Verbundglas zum Einsatz. Auf der Schneidebrücke ist der Schneidkopf mit dem Schneidrädchen positioniert. Das Antriebssystem ermöglicht es, in X-, Y- und Z-Richtung jede Position am Glas zu erreichen und die nötige Spannungskonstellation aufzubringen, um das Glas zu ritzen und anschließend zu separieren. Der Schneidtisch ist horizontal aufgebaut – das hat historische und praktische Gründe: Früher wurde das Glas flach auf den Tisch gelegt und mit einem Handglasschneider bearbeitet. Eine vertikale Ausrichtung wäre aufgrund der Schwerkraft und des nötigen Drucks nicht praktikabel.
Unabhängig davon, ob dünnes Interieurglas oder dickes Bauglas verarbeitet wird, sind Parameter wie Schneidradwinkel, Schneiddruck, Geschwindigkeit und Ölmenge entscheidend. Für dünnes Glas werden spitze Winkel (ca. 135 Grad), für dickes Glas stumpfe Winkel (bis zu 160 Grad) benötigt. Jedes Glas erfordert individuelle Einstellungen, abhängig von Hersteller, Dicke und weiteren Eigenschaften.
Dank moderner LiSEC-Anlagen sind die optimalen Parameter für jede Glasart als „Rezept“ hinterlegt. Beim Start werden Schneidrad, Winkel, Druck, Geschwindigkeit und Ölmenge automatisch an die verwendete Glasart angepasst. Auch Oberflächenbeschichtungen, wie metallische Schichten im Nano-Bereich, können berücksichtigt werden: Beim Schneiden wird der Randbereich oft entschichtet, um eine einwandfreie Verklebung (z. B. für Isolierglas) zu gewährleisten.
Mehr zum Thema Glaszuschnitt erfahren Sie in unserem Podcast LiSTEN LiSEC.