Der Bauboom in Europa beschert der Glasindustrie glänzende Wachstumszahlen. Die Schattenseiten lassen nicht lange auf sich warten: Hoher Innovations- und Wettbewerbsdruck auf der einen Seite, Facharbeitermangel auf der anderen. In reine Kapazitätsausweitung zu investieren ist deshalb zu kurz gesprungen – bessere Produktionskonzepte müssen her.
Im vergangenen Jahr wurden so viele Baubewilligungen wie noch nie zuvor in Österreich erteilt. Damit ist die Fortsetzung des Baubooms noch für einige Jahre gesichert. Was Handwerker und Lieferanten freut, macht den Bauherren jedoch Sorgen. Denn trotz der niedrigen Zinsen explodieren die Kosten am Bau. Und so steigt der Druck, sich in allen Gewerken nach günstigeren Anbietern umzusehen. Das betrifft auch die Glasindustrie, wenn Fenster-, Türen- und Duschkabinenhersteller den wachsenden Preisdruck an ihre Lieferanten weitergeben.
Zugleich suchen Kunden aber innovative Lösungen, die Komfort und Nachhaltigkeit verbinden. Dreifachverglaste Fenster, die Heizkosten sparen und die Umwelt schonen, sind auch ohne baurechtliche Vorgaben für immer mehr Kunden ein Thema. Aber bitte nicht so dick und nicht so schwer.
Ein echtes Problem schafft die gute Konjunktur, die für geringere Arbeitslosigkeit hierzulande und sinkende Zuwanderung von den Nachbarn in Deutschland und Ungarn sowie aus Rumänien sorgt: Die benötigten Facharbeiter für zusätzliche Produktionsanlagen sind immer schwerer zu bekommen, und sie werden immer teurer.
Mit zusätzlichen Maschinen kann zwar die Produktpalette erweitert und die Kapazität erhöht werden. Doch im scharfen Preiskampf mit Wettbewerbern aus ganz Europa muss die neue Technik darüber hinaus die Leistungsfähigkeit verbessern, so dass ein höherer Ausstoß pro Kopf möglich wird.
Auf der Suche nach den neuralgischen Punkten, die über den Fachkräftebedarf bestimmen, findet man vor allem zwei Auffälligkeiten: mit jeder neuen Maschine entsteht der Bedarf für einen weiteren Mitarbeiter, der die Bedienung übernimmt. Und der Transport von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation erfordert hohen manuellen Aufwand. Zudem kommt es dabei regelmäßig zu Bruch, der einen relevanten Anteil der Produktionskosten erreichen kann. Zudem besteht immer eine Verletzungsgefahr für die Beschäftigten.
Einen großen Schritt nach vorne können Glashersteller machen, wenn sie das Produktionskonzept von einer Fertigungsstraße mit mehreren Stationen umstellen auf eine durchgängige Fertigungslinie, die sämtliche Bearbeitungsstationen in einer Anlage integriert. Der augenfälligste Unterschied ist der Wegfall der Intralogistik. Die frisst bislang noch jede Menge Zeit und bindet zahlreiche Arbeitskräfte.
Besonders aufwendig ist es, wenn ein Wechsel zwischen horizontaler und vertikaler Verarbeitung stattfinden und die Scheiben dementsprechend aufgestellt oder abgelegt werden müssen. Laufen die Scheiben dagegen automatisiert die Linie entlang, verbessern sich die Durchlaufzeiten enorm.
Klaus Köttering, Technischer Geschäftsführer bei Semco in Norddeutschland, ist diesen Schritt bereits gegangen und hat eine LiSEC-Zuschnittanlage für Verbundsicherheitsglas in Betrieb genommen. Der Ausbau soll sogar noch weitergehen: „Insgesamt ist das Ziel, das Glas überhaupt nicht mehr von Hand anzufassen“, beschreibt Köttering seine Strategie. An einigen Arbeitsstationen mussten zuvor mehrere Tonnen Glas pro Tag bewegt werden.
Doch für diese körperlich belastende Arbeit seien Mitarbeiter immer schwerer zu bekommen. Statt drei Zuschnittanlagen, für die jeweils vier Beschäftigte nötig waren, betreibt er nun eine einzige Anlage im Drei-Schicht-Betrieb, die nur ein Mitarbeiter pro Schicht bedient. Aufgrund der deutlich geringeren Durchlaufzeiten bietet die neue Technik ausreichend Kapazitäten.
Vorteile bietet eine integrierte Fertigungslinie wie die SPLITFIN von LiSEC nicht nur für die Bediener an der Maschine, sondern auch für den Produktionsverantwortlichen, der den gesamten Fertigungsprozess steuert. Wo zuvor einzelne Stationen koordiniert werden mussten, um die jeweiligen Fertigungsschritte aufeinander abzustimmen, setzt sich die Integration der Fertigungslinie in der Steuerung fort. Hier lassen sich für gewöhnlich alle Bearbeitungsschritte über eine einzige Benutzeroberfläche managen.
Bei LiSEC setzt man für diesen Zweck auf selbstentwickelte Anwendungen. So zum Beispiel auf GPS.prodview, ein Shopfloor-Management, das Produktionsdaten des gesamten Maschinenparks zentral erfasst, speichert und visualisiert. Die Datenerfassung beschränkt sich nicht auf Maschinen aus dem eigenen Haus, sondern erstreckt sich auch auf solche von Fremdherstellern.
So haben Wartungspersonal, Produktionsleitung und Management stets einen aktuellen und vollständigen Überblick über den Status der Produktionsanlagen. Die erfassten Daten können für spätere Fehleranalysen und die Optimierung der Produktion herangezogen werden.
Ähnliches gilt für die Auftragsabwicklung, das Qualitätsmanagement in der laufenden Produktion oder die Assetverwaltung. Gleichzeitig ist ein durchgängiger Datenfluss zwischen Shopfloor und MES- oder ERP-Systemen sichergestellt. Die hohe Aktualität und Verlässlichkeit der Daten in allen Systemen trägt zu besseren Entscheidungen bei und legt die Grundlage für neue Geschäftsprozesse und -modelle, die im Rahmen von Industrie 4.0 entwickelt werden.
Was LiSEC von allen anderen Maschinenbauern unterschiedet, ist die Anwendung im eigenen Haus. Die bald 60-jährige Geschichte von LiSEC beginnt mit der Bearbeitung und Verformung von Acrylglasplatten, der Spiegelherstellung sowie der Glasschleiferei. Fünf Jahre später kam die Herstellung von Isolierglas hinzu – bereits auf ersten selbstentwickelten Maschinen.
Damit war der Grundstein für den Maschinenbau gelegt, der mit der Errichtung einer zweiten Werkshalle im Jahr 1978 zum dominierenden Teil des Unternehmens aufsteigt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist der Schritt hin zum Komplettanbieter, der sowohl Maschinen als auch Software im Portfolio führt. Die eigene Glasherstellung wird jedoch beibehalten und bleibt der Prüfstein für die selbstentwickelten Lösungen.
In den 1990er-Jahren wächst das Unternehmen so stark, dass Maschinenbau, Software-Entwicklung und schließlich auch Forschung & Entwicklung in jeweils eigene Unternehmensbereiche ausgegliedert und neue Standorte bezogen werden. Trotz des anhaltenden Wachstums der Maschinenbau-Sparte und der damit einhergehenden Internationalisierung bleibt LiSEC seinen Wurzeln treu und investiert am Stammsitz weiter in die Glasfertigung.
2015 entsteht in Hausmening das Glass Forum mit 10.000 m2 Produktionsfläche. Es ist als LiSEC-Kompetenzzentrum konzipiert, in dem stets die neuesten Technologien aus dem eigenen Haus zum Einsatz kommen. Diese Anwenderperspektive ermöglicht es LiSEC, nicht nur Lösungen für jeden einzelnen Schritt in der Glasverarbeitung bereitzustellen, sondern mit Blick auf die gesamte Anlage auch maschinenübergreifende Steuerungssoftware und Datenverarbeitung zu entwickeln.
Die Glasindustrie muss mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen kämpfen: anhaltender Preiswettbewerb und wachsender Arbeitskräftemangel, fehlende Kapazitäten und steigender Innovationsdruck. Die größte Herausforderung ist jedoch, dies alles unter einen Hut zu bekommen.
Die Lösung fällt jedoch leicht, wenn man offen ist für grundlegende Änderungen am Produktionsprozess. Mit der Umstellung von einer Fertigungsstraße aus einzelnen Bearbeitungsstationen auf eine integrierte Produktionslinie kann dieser grundlegende Wandel relativ unkompliziert realisiert werden. Die weitere Reduzierung manueller Tätigkeiten, Produktivitätsfortschritt und höherer Durchsatz, Qualitätsverbesserung und Zukunftssicherheit auch in Zeiten von Industrie 4.0 – das alles ist Teil einer solchen Lösung, und damit die Antwort auf aktuelle und kommende Herausforderungen.